25. Januar 2011 : Gräberpflege ist wichtige Aufgabe
21. April 2011 : "Furchtbar, aber das war
so"
15. Juni 2011 : Als Wachposten in der Nacht zum D-Day
20. Oktober 2011 : Menschen
flogen durch die Luft“
16. November 2011 : Tiefe persönliche Erfahrung
7. Dezember 2011 : Dem Albtraum entflohen
RESERVISTEN Idsteiner Kameradschaft lädt zum Neujahrsempfang
ein / „Erhöhte Akzeptanz“
Die
Idsteiner Reservisten luden zu ihrem traditionellen Neujahrsempfang ein. Neben
Vertretern verschiedener befreundeter Kameradschaften und Organisationen konnte
der Vorsitzende der Reservistenkameradschaft Idstein Sven Abschinski auch
Landrat Burkhard Albers und Bürgermeister Gerhard Krum
begrüßen.
In
seiner kurzen Ansprache schweifte Abschinski „in die große und die kleine
Welt“. Beim Blick in die große Welt galten die Gedanken vor allem den zehn
Kameraden, die im vergangenen Jahr ihr Leben im Einsatz verloren hatten. Vielen
sei aber auch durch den tapferen Einsatz von Kameraden das Leben gerettet
worden. So sei es nur folgerichtig, dass es seit 2010 nun erstmals in der
Geschichte der Bundeswehr einen Tapferkeitsorden gäbe. In Deutschland tue man
sich noch immer schwer mit dem Begriff „Tapferkeit“ im Zusammenhang mit
Soldatentum. „Im zivilen Leben ist es selbstverständlich, dass Menschen für Mut
und Tapferkeit ausgezeichnet werden - zum Beispiel mit der hessischen
Rettungsmedaille. Nun gibt es auch endlich für unsere Soldaten eine solche
Anerkennung“, so Abschinski.
Der
zweite Blick galt der Aussetzung der Wehrpflicht. „Unsere Regierung hat
entschieden, und nun liegt es an uns, damit umzugehen.“ Da die Bundeswehr nun
auf Freiwillige angewiesen sei, komme den Reservisten vermehrt die Aufgabe der
Werbung zu. „Wir sind der Ersatz für die Bundeswehr vor Ort. Und wir wollen den
ausgeschiedenen Soldaten nach ihrem aktiven eine Heimat bieten. Da sehe ich
unsere Zukunft.“
Beim
Blick in die „kleine Idsteiner Welt“ konnte die RK Idstein wieder auf ein Jahr
mit vielen Aktivitäten wie der Pflege der Idsteiner Kriegsgräberstätte, der
Teilnahme am Fest der Vereine oder am Volkstrauertag sowie der Unterstützung
des DRK beim Blutspendetermin im September und der Sammlung für den Volksbund
deutsche Kriegsgräberfürsorge zurückblicken.
Hinzu
kamen die Teilnahme an der Einweihung der Kriegsgräberstätte in Cheb (ehemals Eger) in Tschechien
und die Familienexkursion zu den Stellungen des Ostwalls im heutigen Polen. In
2011 wartet neben dem „Tagesgeschäft“ ein kleiner Leckerbissen auf die
Idsteiner. Im November geht es zum sechsten Arbeitseinsatz mit dem Volksbund
deutsche Kriegsgräberfürsorge seit 1998. Diesmal geht es nach Bastogne in
Belgien, wo man eine Woche lang den dortigen deutschen Soldatenfriedhof
winterfest macht und als Abschluss den Volkstrauertag mit dem deutschen
Militärattaché begeht.
Bevor
es zum geselligen Teil überging, richtete auch Bürgermeister Gerhard Krum das Wort an die Gäste und dankte im Namen der Stadt
Idstein für das große Engagement der Reservisten in Idstein. Vor allem stellte
er den Einsatz der Idsteiner für die Pflege der Kriegsgräberstätte und auch den
persönlichen Einsatz von
ZEITZEUGE Heinz Hahn berichtet in der Vortragsreihe der
Reservisten von seiner Zeit als Soldat im Zweiten Weltkrieg
Die
Idsteiner Reservisten starteten ihre Vortragsreihe „Zeitzeugen berichten“ mit
Heinz Hahn aus Oberlibbach, der aus Niederseelbach
stammt, und vor zahlreichen Zuhörern von seiner Soldatenzeit berichtete.
Er
begann 1942 als Siebzehnjähriger seine Ausbildung als Forstgehilfe. Was er
damals nicht wusste: Damit war sein Eintritt in die Division „Hermann Göring“ besiegelt.
Hermann Göring - nicht nur Oberbefehlshaber der Luftwaffe, sondern auch
Reichsforstmeister - befahl im Dezember 1942, dass sich alle Auszubildenden im
Forstdienst „sofort freiwillig zur Division Hermann Göring zu melden“ haben.
Ansonsten drohten ihnen Entlassung sowie weitere Repressalien. So meldete sich
auch Hahn freiwillig.
Doch
dem Dienst in der Wehrmacht ging ab Januar 1943 ein Dienst im
Reichsarbeitsdienst voraus. Dabei war Hahn am Westwall eingesetzt. „Hier waren
wir dafür zuständig, die Wall- und Bunkeranlagen zu bepflanzen und somit zu
tarnen“, so Hahn. Anschließend kam er dann zu Division, wobei ihn sein erster
Weg nach Utrecht in Holland führte. In einer kleinen Anekdote berichtete er von
einem Besuch bei einer befreundeten Holländerin, die er aus Idstein kannte. Als
er seinen Besuch ankündigte, sagte sie zu ihm: „Komm aber bloß nicht in
Uniform, nur in Zivil.“ Niemand sollte wissen, dass sie mit einem deutschen
Soldaten befreundet war.
Im
Herbst 1943 kam Heinz Hahn nach Italien. In seiner Militärzeit führte er
verbotener Weise ein Tagebuch, so dass er sehr detailliert über seine
Erlebnisse und Gefühle im Einsatz berichten konnte. Von der Etappe nördlich von
Rom wurde Hahns Einheit Anfang 1944 nach Monte Cassino
verlegt. „Rom war militärfreie Stadt. Keine deutsche Einheit durfte sich hier
aufhalten oder durch Rom ziehen, um den Alliierten keinen Anlass für eine
Bombardierung der Stadt zu geben. So waren wir gezwungen, in einem großen Bogen
an Rom vorbeizumarschieren.“
Gut
erinnert sich Hahn an Oberstleutnant Julius Schlegel, der als Retter der
Kunstschätze von Monte Cassino gilt. „Der hat einfach
befohlen, alle Kunstschätze auf Lkw zu verladen und in den Vatikan zu bringen.“
Der Wiederaufbau des Klosters wurde nicht zuletzt deshalb möglich, weil Julius
Schlegel auch alle Baupläne rettete. Schlegel selbst entging nur knapp einer
Verhaftung durch die Militärpolizei.
Ebenso
gut erinnert sich Hahn an den 20. Juli 1944, den Tag des Attentates auf Hitler.
„In der Nacht auf den 21. wurden wir um 2 Uhr geweckt. Wir wurden über das
gescheiterte Attentat informiert. Außerdem wurde uns mitgeteilt, dass ab sofort
der Hitlergruß als militärischer Gruß eingeführt sei.“
Weiter
führte sein Weg nach Warschau, wo Hahn den Warschauer Aufstand erlebte. „Das ging
alles ganz schnell. Überall tauchten plötzlich Bewaffnete auf. Alle waren mit
einer Schleife an der Brust als Kämpfer gekennzeichnet. Wir konnten uns gar
nicht erklären, wie in einer so von deutschen Soldaten bewachten Stadt so viele
Waffen versteckt werden konnten. Da alle Kämpfer auf polnischer Seite mit
diesen einheitlichen Schleifen gekennzeichnet waren bekamen wir den Befehl, sie
als Soldaten anzusehen und entsprechend als Kriegsgefangene zu behandeln.
Ansonsten hätten sie als Partisanen gegolten. So wurden sie von uns verhaftet
und in Kriegsgefangenschaft geführt.“
Immer
wieder sagt Heinz Hahn: „Furchtbar, aber das war so.“ Sei es, als er davon
berichtet, wie ein Kamerad in seinen Armen starb, oder bei seinen Berichten vom
Januar 1945, als die Reste der Division in schwere Gefechte mit den
vordringenden Russen in Ostpreußen verwickelt waren. In sein Tagebuch hat der
damals 19-Jährige eingetragen: „Alles Sch…, Schnauze voll.“ Über das Frische
Haff wurden sie dann mit einer der letzten Fähren evakuiert und gelangten zum
nächsten Einsatz in die Niederlausitz. Auch hier waren die Russen schon. Man
lieferte sich erbitterte Kämpfe, drang vor und wurde wieder zurückgeschlagen.
„In den Orten, aus denen wir die Russen vertrieben, sahen wir schreckliche Dinge.
Ich werde nie das Bild einer Frau vergessen, die an ein Scheunentor genagelt
war. Es war schrecklich.“ In den 70er Jahren kehrte Hahn auf einer Reise nach
Senftenberg in die Lausitz zurück. Bei einem Feuerwehrfest saß er dort mit zwei
älteren Frauen an einem Tisch, dabei kam das Gespräch auch auf die
Kriegszeiten. „Die eine Frau wurde immer ruhiger, immer stiller. Wahrscheinlich
hatte sie das gleiche erlebt. Wäre ich doch nur still gewesen und hätte nichts
erzählt“, so Hahn heute.
Zwischen
Karlsbad und Eger geriet Hahn schließlich in amerikanische Gefangenschaft. „Die
Amerikaner versprachen zwar, alle Gefangenen in die amerikanische Zone zu
schaffen und niemanden den Russen zu übergeben, aber dem traute ich nicht so
recht - also bin ich abgehauen.“ So schlug er sich von Eger bis nach
Niederseelbach durch, viele Menschen halfen ihm, indem sie ihn versteckten,
verpflegten oder ein Stück mitnahmen. Am 29. Mai 1945 kam Heinz Hahn wieder in
Niederseelbach an. „Die Freude war groß, das letzte Lebenszeichen von mir hatte
meine Familie an Weihnachten 1944 erhalten.“
Natürlich
musste auch Hahn sich der Entnazifizierung unterziehen. „Der Reichjugendführer
der NSDAP schenkte Adolf Hitler zu dessen Geburtstag als besonderes Geschenk
quasi jeden jungen Menschen, indem diese - egal ob Junge oder Mädchen - als
Mitglied in der NSDAP gemeldet wurde. Dem konnte man sich gar nicht entziehen.
So wurde auch ich 1943 Parteimitglied.“ Das Aufnahmedatum in die Partei war
immer der 20. April - Hitlers Geburtstag.
Schon
bald konnte Heinz Hahn wieder ins Berufsleben einsteigen und war viele Jahre im
Idsteiner Land als Förster tätig. Hilfreich war dabei vielleicht auch, dass er
sich selbst aus der Wehrmacht entlassen hatte. „Ich habe in meinem Wehrpass
eingetragen: Entlassen am 7. Mai. Und dann habe ich die Unterschrift
gefälscht“, sagte er mit einem Augenzwinkern. Den Wehrpass hatte er an diesem
Abend dabei und zeigte ihn den staunenden Zuhörern. „Gemerkt hat das keiner.“
ZEITZEUGE Der Idsteiner Walter Hartmann berichtet von seinem
Kriegseinsatz und seiner Gefangenschaft in den USA
Beim
zweiten Abend der Vortragsreihe „Zeitzeugen berichten“ bei den Idsteiner
Reservisten war diesmal Walter Hartmann zu Gast - vielen noch als Küster der
evangelischen Kirchengemeinde bekannt.
„Ich
war kein Held“, begann Hartmann seinen Vortrag, „für mich war der Krieg aus,
noch bevor ich den ersten Schuss abgegeben hatte.“ Verhältnismäßig spät wurde
er 1943 mit 19 Jahren eingezogen. In der Normandie dann wurde er als MG-Schütze
einer schweren MG-Abteilung zugeteilt und am Rande des späteren
Invasionsgebietes in Montebourg etwa zehn Kilometer
von Cherbourg eingesetzt. In der Nacht zum 6. Juni - dem „D-Day“ - stand Walter
Hartmann Wache, als ein mächtiger Fliegerangriff kam, der die ganze Nacht
hindurch dauerte. Seinen letzten Brief schrieb Hartmann am 12. Juni nach Hause.
Offene
Worte hätten zum Verhängnis werden können
„Ich
habe noch keinen Schuss abgegeben … Der Feind gewinnt immer mehr an Boden.
Unsere Stellung soll gehalten werden. Morgen wird es die Hauptkampflinie werden
… Überall Feind. es sind schon viele gute Kameraden gefallen … Bislang sind
gerade mal zwei deutsche Flieger hier drüben. Das ist alles von unserer
Luftwaffe.“ Offene Worte nach Hause, die Hartmann leicht hätten zum Verhängnis
werden können. „Wenn jemand gemerkt hätte, dass ich so offen und unverblümt
nach Hause schreibe!“ Nachdem die Amerikaner die Stellung überrollt hatten,
setzte sich Walter Hartmann mit seinen Kameraden nach Cherbourg ab. Unterwegs
trafen sie auf einen Trupp Soldaten, den sie für Deutsche hielten. Nachdem sie
auf sich aufmerksam gemacht hatten, stellte sich dies jedoch als Irrtum heraus
- es waren Amerikaner. Ein Kamerad sagte: „Schießt nicht, sonst werdet ihr
erschossen“. So kam der Trupp in Gefangenschaft. Als sie nach dem Verhör ins
Gefangenenlager kamen, merkte Hartmann, dass er noch eine Handgranate in der
Hosentasche hatte - unbemerkt von den Amerikanern. „Die habe ich aber ganz
schnell verschwinden lassen!“
Dann
ging es auf Landungsschiffen zum Abtransport nach Southampton. Hartmanns Eltern
bekamen Mitte Juli 1944 ein Schreiben seiner Dienststelle, in dem es hieß:
„Seit dem ersten Gefecht mit amerikanischen Fallschirmspringern am 7.6.44 bei
St. Mère Église in der
Normandie wird Ihr Sohn vermisst. Sein Verbleib konnte bisher nicht
festgestellt werden.“
„In
Amerika ging es uns gut“
Man
könne sich ja denken, wie es seinen Eltern nach dieser Nachricht ging, meinte
Hartmann. Erst am 10.2.1945 erhielt die Familie die Nachricht vom Oberkommando
des Heeres, dass sich Walter Hartmann in amerikanischer Gefangenschaft befand.
Da war er schon lange in den USA, wohin ihn eine elftägige Fahrt in einem
Geleitzug mit 50 Schiffen führte. Dort ging es in ein Lager nach Indiana.
„In
Amerika ging es uns gut“, berichtete Hartmann. „Wir bekamen gut zu essen,
hatten anständige Kleidung und durften viel nach Hause schreiben. Und zu
Weihnachten 1945 kam von zu Hause Post. Wie schlecht es zu Hause ging, wurde
mir deutlich, als ein Mitgefangener als Weihnachtsgeschenk eine alte, geflickte
lange Unterhose bekam. Da ging es uns in Gefangenschaft wirklich gut.“ Von
Indiana wurde Walter Hartmann in ein Lager bei Fort Knox verlegt. „Erst nach
dem Krieg haben wir erfahren, dass da die Goldreserven lagern.“
Ende
April 1946 ging es dann mit riesigen Schiffen zurück nach Europa. Nach neun
Tagen erreichte man Le Havre. Von dort ging es zur Zwangsarbeit in ein Kohle-Bergwerk.
Ende 1948 wurde Walter Hartmann aus der Gefangenschaft entlassen und fuhr mit
dem Zug nach Idstein. Hartmanns Vater war kurz zuvor an Krebs gestorben, was
ihm seine Mutter aber nicht schreiben wollte.
4000 Reichsmark für die Bauschule
Nach
dem Krieg wollte er eigentlich an der Bauschule studieren. Sein Vater hatte
dafür 4000 Reichsmark gespart - die bei der Währungsreform dann allerdings fast
nichts mehr wert waren. So arbeitete Walter Hartmann erst als Hausmeister am
neuen Gymnasium und später als Küster der evangelischen Kirchengemeinde. Nun
genießt er seit vielen Jahren mit seiner Frau den verdienten Ruhestand.
Die
vielen Zuhörer erlebten einen interessanten Vortrag, den Walter Hartmann mit
Zitaten aus seinen Briefen sowie Bildern und Fotos bereicherte. Nach seinem
Dank an Walter Hartmann kündigte Herbert Barth - stellvertretender Vorsitzender
der Reservisten - für den Herbst den nächsten Zeitzeugen-Abend an.
Im
Rückblick auf den letzten Zeitzeugenbericht von Heinz Hahn im April konnte an
diesem Abend erwähnt werden, dass das Museum zum „Warschauer Aufstand“ in
Warschau durch das Internet und den Artikel der Idsteiner Zeitung über den
Vortag Hahns informiert mit den Reservisten Kontakt aufgenommen hat. Im Juni
wollen Vertreter des Museums Hahn besuchen, um ihn als Zeitzeugen zu
interviewen.
ZEITZEUGEN Gerhard Wick berichtet von
seinen Erlebnisse in Kriegszeiten / Reservisten setzen Vortragsreihe fort
Im
Rahmen der Vortragsreihe „Zeitzeugen berichten“ der Idsteiner
Reservistenkameradschaft erzählte der heute in Idstein lebende Gerhard Wick von seinen Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg. 1927
wurde Gerhard Wick aus Burg-Hohenstein
geboren. Als Kind hat er nichts anderes als das nationalsozialistische
Deutschland gekannt. Seine ersten Kindheitserinnerungen haben auch damit zu
tun. Er erinnert sich an eine damals nicht unübliche Hausdurchsuchung durch
drei SA-Leute. Noch heute hört er die wütende Stimme seiner Mutter: „Wollt ihr
vielleicht auch noch das Kindergewehr mitnehmen?“ Damit musste man damals
rechnen - SA-Horden, die durch den Ort streiften und in den Häusern nach Waffen
suchten.
Und
auch an den Kriegsbeginn 1939 erinnert er sich noch. „Damals sind bei uns
Flüchtlinge aus dem Saarland einquartiert worden. Die hat man aus dem
Aufmarschgebiet an der französischen Grenze evakuiert.“
Gerne
hätte Gerhard Wick damals die Realschule besucht.
„Aber meine Eltern waren nicht so wohlhabend. Da ich noch einen älteren Bruder
hatte, der auch gerne weiter zur Schule gegangen wäre, entschieden meine
Eltern: Wenn wir es nicht beiden bezahlen können, dann soll keiner gehen. Das
war ja nicht mehr als gerecht.“
Als
er dann 1941 aus der Volksschule entlassen wurde, wollte er Förster werden.
Davor stand aber noch das „Landjahr“ an. In der Weimarer Republik als
„Landhilfe“ eingeführt, war es ursprünglich als freiwillige Maßnahme gegen
Jugendarbeitslosigkeit gedacht. 1934 wurde dies dann als neunmonatiges Landjahr
zur Pflicht. „Ich kam dann von April bis Dezember 1941 nach Bensberg. Dort war
es fast wie beim Militär. Neben Feldarbeit lernten wir Betten bauen, Strümpfe
stopfen und Schuhe putzen.“
1943
begann seine Ausbildung als preußischer Forstlehrling in Hohenstein. „Jeden Tag
bin ich fünf Kilometer zur Arbeit gelaufen und abends wieder zurück - bei Nacht
und Nebel und bei jedem Wetter.“
Am 9.
Juni 1944 kam Gerhard Wick für drei Monate zum Reichsarbeitsdienst,
wurde im September entlassen und drei Wochen später als Soldat zur
Unteroffiziersschule nach Freiberg eingezogen. Von dort ging es Anfang 1945 an
die Front nach Groß Schimmendorf südlich Oppeln. Hier
sollten er und seine Kameraden über 800 Meter freie Fläche ein Dorf angreifen,
das von Russen besetzt war. „Das war ein Himmelfahrtskommando. Die Stalinorgeln
fingen an zu schießen, Menschen flogen durch die Luft.“ Wick
wurde zurück zum Gefechtsstand geschickt und sollte Panzerunterstützung holen.
„Dort saß unser Kompaniechef bei einem Glas Wein, schaute mich an und warf mir
Feigheit vor dem Feind vor“.
Ende
April kam dann der Rückzug, am 9. Mai überschritten sie die tschechische
Grenze. Sie wurden von Tschechen gefangen genommen und gefesselt in den
nächsten Ort geführt. „Hier wurden wir von der Bevölkerung geschlagen und ins
Gesicht gespuckt. Dann hat man unsere Soldbücher kontrolliert, ob wir
SS-Soldaten sind. Die SS-Leute hat man zu einer Scheune führt. Dort wurden sie
nackt ausgezogen und ausgepeitscht. Um die 60 von ihnen hat man dann auf der
Stelle erschossen.“
Am
nächsten Tag wurden die Gefangenen von Russen übernommen. „Die haben uns vor
den Tschechen beschützt.“ Dann ging es nach Tiflis in Gefangenschaft. In der
Gebirgsniederung um Tiflis waren fünf Lager für je 5000 Gefangene eingerichtet.
„Außer dem Fluss Kura gab es hier nichts - nur Wüste.
Da sollte Schwerindustrie entstehen. Wir mussten kilometerlange Gräben für
Verbindungsrohre ausheben. Nach mehr als 30 Malariaanfällen war ich irgendwann
nicht mehr arbeitsfähig und durfte im Lager bleiben. Hier bekam ich einen
Posten beim Lagerarzt. Ich lernte etwas Russisch und war dann auch der
Dolmetscher.“
Im
Lager sei es den Gefangenen relativ gut gegangen. „Unsere Bewacher gingen
anständig mit uns um. Das hing vielleicht auch daran, dass es Kaukasier und
Georgier waren. Die konnten die Russen genauso wenig leiden wie wir. Und was
die Zivilbevölkerung betrifft: Die hatten auch nicht mehr zum Leben als wir.“
Im
Juli 1949 ging es zurück in die Heimat. Nach der Ankunft in Deutschland wurden
sie nach Besatzungszonen sortiert und sofort verhört. „Die Amerikaner wollten
alles wissen: Wie hießen die Offiziere der Bewacher, welche Einheiten waren
dort stationiert, an welchen Fabriken habt ihr gearbeitet“. Dann ging es
endlich heim. Doch als er sich beim Forstamt meldete und seine Ausbildung
abschließen wollte, sagte man Gerhard Wick nur: „Sie
kommen leider zu spät. Wir haben keine Stelle mehr für sie“. Keiner habe sich
um ihn als Heimkehrer gekümmert, keiner habe sich verantwortlich gefühlt.
Das
Publikum lauschte Gerhard Wick und verfolgte seine
Schilderungen interessiert. „Wir hätten nicht gedacht, dass unsere
Zeitzeugen-Reihe so ein Interesse weckt“, meinte Klaus Bücher, der zusammen mit
„Vielleicht
gibt es ja entgegen unserer Ankündigung doch noch einen Zeitzeugen-Abend in
diesem Jahr“, meint
RESERVISTENKAMERADSCHAFT Arbeitseinsatz auf dem
Soldatenfriedhof in Recogne
„Als wir
vor unserem Arbeitseinsatz auf dem Löherplatz für den
Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge sammelten, sprach mich ein alter Mann
an und sagte: ‚Ihr fahrt doch nach Bastogne, bestellt
bitte Grüße!’ Auf meine Frage, ob dort ein Verwandter von ihm bestattet sei,
traten Tränen in seine Augen. ‚Ich war 1944 dabei, dort liegen meine Freunde.
Wir waren doch erst 17’, sagte er leise und ging weg.“, berichtet
Dort
bezogen sie für die nächsten Tage Quartier in einer belgischen Kaserne, um
einen freiwilligen Arbeitseinsatz auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Recogne - rund drei Kilometer von Bastogne
entfernt - abzuleisten. In diesem Gebiet fand um Weihnachten 1944 eine der
letzten großen Schlachten des Zweiten Weltkrieges statt, der zu dieser Zeit für
Deutschland schon längst verloren war. Das „letzte Aufgebot“ wurde
zusammengezogen, um durch die Ardennen bis nach Antwerpen vorzustoßen und den
Amerikanern die Versorgung abzuschneiden. Wer nicht kämpfen wollte, wurde
standrechtlich erschossen. Ein Großteil der deutschen Soldaten war noch keine
20 Jahre alt, viele erst 17 oder 18.
Besonders
heftig tobten die Kämpfe um Bastogne. Am Ende der sogenannten „Ardennenoffensive“ konnte der Vormarsch der
Alliierten zwar kurz verzögert, aber nicht aufgehalten werden. Rund 32500
Menschen - Zivilisten und Soldaten (davon knapp 20000 Deutsche) - verloren
innerhalb von sechs Wochen ihr Leben in einem letzten sinnlosen Aufbäumen des
Naziregimes.
6807
tote deutsche Soldaten sind auf dem Friedhof in Recogne
bestattet - von vielen von ihnen kennt man keinen Namen.
Im
Vorfeld des Volkstrauertages war es die Aufgabe der Idsteiner, den Friedhof
herauszuputzen. Das bedeutete, auf dem weitläufigen Gelände das Laub der
zahlreichen Bäume zusammenzufegen und abzutransportieren.
Dabei
war das Wetter auf der Seite der Idsteiner. „Von Anfang an hatten wir gutes
Wetter - nicht immer Sonne, aber immer trocken“, so
Der
Freitag wurde noch für militär-historisches „Sightseeing“ genutzt. „Und dafür
braucht man gar nicht weit zu fahren. In jedem noch so kleinen Ort steht ein
alter deutscher oder amerikanischer Panzer und erinnert an die Kämpfe.“ Museen
gibt es ebenfalls viele. Bekannt ist das luxemburgische Militärmuseum in Diekirch, welches die Reservisten besuchten. Dieses befasst
sich zum einen mit der Ardennenoffensive, zum anderen mit der Geschichte der
luxemburgischen Armee. Nach dem Besuch in Diekirch
führte der Weg zurück nach Belgien, wo man den Tag in Bastogne
ausklingen lies. Der Besuch des Museums ließ das Gespräch vor der Abreise in
Idstein und die tausende von Kreuzen auf dem Friedhof noch einmal anders wirken.
„Das Grauen des Krieges und die Sinnlosigkeit des Todes von so vielen Menschen
- vor allem so vieler junger Menschen - ergreift einen hier ganz persönlich“.
Dass
dieses Gedenken vielen Menschen wichtig ist, konnten die Idsteiner täglich
erleben. Es verging kein Tag, an dem nicht Besucher auf den Friedhof kamen und
das Gespräch suchten - Junge und Alte, Deutsche, Amerikaner, Niederländer und
Belgier. Und auf vielen Gräbern standen Blumen oder Gestecke. „Das zeigt, dass
auch mehr als 66 Jahre nach dem Krieg die Toten nicht vergessen sind und ihr
sinnloser Tod uns heute zu Frieden und Verständigung unter den Völkern mahnen
soll.“ Somit war der Arbeitseinsatz - für den übrigens alle Teilnehmer eine
Woche ihres Jahresurlaubs opferten - nicht nur „Gartenarbeit“, sondern eine
tiefe persönliche Erfahrung, die jeden einzelnen tief bewegt hat.
GESCHICHTE Zeitzeuge Walter Hornik
zu Gast bei der Reservistenkameradschaft
„Meine
Erinnerungen an das Dritte Reich beginnen 1938. Ich komme ja aus dem
Sudetenland, und bis 1938 gehörten wir zur Tschechoslowakei“, so Walter Hornik. Mit seinen 89 Jahren ist er bislang der älteste
Gast der Idsteiner Reservisten, die mit ihm zum vierten Abend ihrer Reihe
„Zeitzeugen berichten“ einluden. „Für uns Deutsche war in der Tschechoslowakei
sicher nicht alles gut - aber es war bei weitem auch nicht so schlecht, wie es
heute oft berichtet wird.“
Mit
dem Anschluss des Sudentenlandes an das Deutsche Reich unterlagen auch dort
alle Deutschen der Wehrerfassung. „Heim ins Reich hieß es damals auch bei uns.
Dabei gehören wir noch nie zu Deutschland - wenn überhaupt gehörten wir einmal
zu Österreich-Ungarn“, so Hornik mit einem
Schmunzeln. Im Januar 1941 musste Hornik zum
Reichsarbeitsdienst einrücken und diente bis zum Herbst desselben Jahres. Dort
hatte er den Dienstrang eines „Oberbohrmanns“ erreicht, als er anschließend
sofort zur Wehrmacht eingezogen wurde. Er kam zur 108. Panzergrenadierdivision
in Dresden. Hier hatte Hornik eines Nachts einen
Traum, der sein weiteres Leben bestimmen sollte - und ihm vielleicht auch das
Leben rettete. Er träumte, dass er von einem russischen Soldaten erstochen
würde. „Da sagte ich mir: Du gehst nicht nach Russland!“ So bewarb sich Hornik zu dem neu aufgestellten Afrika-Korps.
Für Hornik ging es mit dem Zug von Berlin über den Balkan nach
Athen. Über Kreta kam er nach Marsa-Matruk in Afrika.
Deutschen und italienischen Verbänden kämpften in Afrika Seite an Seite. Drei
Monate lag man vor El-Alamein - „einer völlig nichtssagenden Eisenbahnstation“. „Dann kam das
Sechs-Tage-Rennen“, so Hornik. „Wir griffen El-Alamein von hinten an. Man machte unseren Einheiten die
Zusage, dass in Tobruk drei Tanker mit Treibstoff
ankämen, die unser Nachschub wären. Doch kurz vor ihrer Ankunft wurden die
Tanker versenkt“. Somit wurde nach sechs Tagen - daher Sechs-Tage-Rennen - der
Angriff abgebrochen. Die Deutschen zogen sich aus Spritmangel zurück.
Dann
kam der 28. Oktober 1942 mit einem Großangriff der Briten. Hornik
war zu diesem Zeitpunkt Kommandant einer Selbstfahrlafette beim
Panzergrenadier-Regiment 104. Sein Fahrzeug erhielt einen Treffer. „Ich wurde
hinausgeschleudert und schlug auf den Boden. Mir blieb in diesem Moment die
Luft weg!“ Walter Hornik kam über rückwärtige
Verbandplätze nach Tobruk und von dort mit einem
Lazarettschiff nach Neapel. Weiter brachte ihn ein Zug nach
Garmisch-Partenkirchen. Bis Anfang Dezember 1942 blieb er dort zur Erholung.
Anschließend
musste er sich bei seinem Ersatztruppenteil in Landau melden. Hornik meldete sich für Afrika zurück, kam nach Tunis und
gehörte dort zum Divisionsnachschubstab.
Als
amerikanische Truppen in Afrika landeten, begann das Ende des deutschen
Afrika-Korps. Fortan waren die militärischen Bewegungen vom Rückzug bestimmt.
„Am
13. Mai war dann auch für mich der Krieg zu Ende“. Hornik
ergab sich den Briten, die ihn mit Handschlag und den Worten „War is over for
You“ in Empfang nahmen. „Über verschiedene
Gefangenenlager gelangten wir nach Oran. Dort
bewarfen uns die Franzosen mit Steinen. Die Amerikaner mussten sie mit der
Waffe in Schach halten.“ Mit sogenannten „Liberty-Schiffen“ ging es nach New York. Dort wurden die
Gefangenen registriert, bevor sie mit Zügen nach Fort Lewis in Texas kamen. Am
1. März 1946 kam endlich die Nachricht „Rücktransport in die Heimat!“. Von Los
Angeles aus ging nach Liverpool, doch weiter in die Heimat ging es vorerst
nicht. Walter Hornik kam an die schottische Grenze
zum Torfstechen. 1947 konnten dann auch die letzten Gefangenen nach Deutschland
zurück. Der Heimweg führte über London nach Cuxhaven. Von München aus fuhr Hornik - der seine Verwandten inzwischen in Wallrabenstein
ausfindig gemacht hatte - nach Frankfurt. So führte Walter Horniks
Weg nach Wallrabenstein, wo er bis heute lebt.